Berufsentscheidungen mit Folgen – wenn Rückblick zur Erkenntnis wird
Veröffentlicht am 02.06.2025
Berufsentscheidungen zählen zu den prägendsten Momenten im Leben – und doch treffen viele sie unter Unsicherheit. Jahre später folgt oft das Grübeln: War es die richtige Wahl? Reue muss jedoch nicht für Fehltritte stehen. Sie kann ein Hinweis auf Entwicklung sein – und darauf, wie sehr uns das Leben selbst verändert.
on Thomas Stecher, dipl. Berufs-, Studien- und Laufbahnberater
Der richtige Weg – oder einfach nur der nächste? Manche Entscheidungen fühlen sich anfangs stimmig an, später dann nicht mehr. Besonders im Berufsleben kann das Fragen aufwerfen: War das der falsche Weg? Hätte ich etwas anderes machen sollen? Doch oft liegt die Antwort nicht in einem klaren Ja oder Nein – sondern in dem, was wir unterwegs gelernt haben.
Niemand kann mit Anfang zwanzig wissen, was wirklich zu einem passt. Viele wählen Ausbildung oder Studium mit dem besten Wissen, das sie zu diesem Zeitpunkt haben. Was folgt, sind Jahre voller Erfahrungen – und die verändern uns. Mit der Zeit entstehen neue Bedürfnisse, andere Interessen, vielleicht ein anderer Blick auf das, was einmal wichtig war. Ein Beruf, der anfangs gepasst hat, kann später zu eng wirken. Oder umgekehrt: Etwas, das früher unvorstellbar war, erscheint auf einmal reizvoll.
Vom Zeltplatz ins Büro – und zurück?
Ein Bild, das vielen bekannt vorkommen dürfte: Man stellt sich etwas toll vor – und merkt erst mittendrin, dass es ganz anders ist. Wie beim Zelten: Die Idee klingt romantisch, bis man nachts friert und jede Wurzel unter der Isomatte spürt. Genauso ist es manchmal mit dem Job: Am Anfang voller Erwartungen, später vielleicht von Alltag und Unzufriedenheit überlagert.
Doch wer hätte das vorher wissen können? Viele Erkenntnisse entstehen erst durchs Tun. Und genau deshalb sind frühere Entscheidungen nicht falsch – sie waren einfach Teil eines Wegs, auf dem wir lernen, was wirklich zu uns passt. Es braucht oft eigene Erlebnisse, um Klarheit zu gewinnen. Gespräche mit anderen helfen nur bedingt – denn letztlich ist es unser eigenes Empfinden, das zählt.
Veränderung gehört dazu
Es ist ganz normal, dass frühere Entscheidungen mit späterem Abstand nicht mehr stimmig wirken. Statt sie infrage zu stellen, hilft es, sie als Entwicklungsschritt zu sehen. Man hat etwas ausprobiert, Erfahrungen gesammelt, sich weiterentwickelt. Vielleicht sogar entdeckt, was man nicht will – was oft der erste Schritt ist, um zu erkennen, was man möchte.
Das Leben verläuft selten geradlinig. Bedürfnisse verändern sich, ebenso wie unser Selbstbild. Wer mit 22 gern gereist ist und Spontaneität liebte, bevorzugt mit 40 vielleicht Sicherheit, Stabilität oder kreative Freiräume. Und das ist völlig in Ordnung. Wer also heute das Gefühl hat, «nicht mehr am richtigen Platz zu sein», erlebt oft kein Scheitern – sondern einen gesunden inneren Wandel.
Kein gerader Lebenslauf – aber ein echter
Berufliche Wege verlaufen selten in geraden Linien. Oft geht es über Umwege, mit Abzweigungen, Pausen, Neuanfängen. Und das ist in Ordnung. Denn genau darin steckt die Chance, sich immer wieder neu zu entdecken.
Ein kritischer Blick ist dabei kein Makel. Sie kann auch ein Zeichen sein: dafür, dass man bereit ist für etwas Neues. Dafür, dass man sich selbst besser kennengelernt hat. Und dafür, dass man heute anders entscheiden würde – mit mehr Klarheit, mehr Erfahrung, mehr Leben im Gepäck.
Es lohnt sich, Entscheidungen nicht nur rückblickend zu bewerten, sondern auch anzuerkennen, was sie ermöglicht haben. Viele Menschen berichten rückblickend: Die Zeit, in der ich gezweifelt habe, war auch die Zeit, in der ich am meisten über mich gelernt habe. Und das macht Mut – denn es zeigt: Entwicklung ist kein Rückschritt, sondern ein Teil von Wachstum.
Entscheidungen sind keine Urteile
Es hilft, Entscheidungen als Momentaufnahmen zu begreifen – nicht als unumstössliche Urteile über den eigenen Weg. Wer sich neu orientiert, ist nicht gescheitert, sondern neugierig geblieben. Und wer spürt, dass etwas nicht mehr passt, hat bereits den ersten Schritt gemacht: hin zu mehr Stimmigkeit, innerer Ruhe und Lebensfreude.
Beratung kann hilfreich sein
Seine eigenen Stärken und Werte zu erkennen, ist nicht immer einfach. Hier kann professionelle Begleitung helfen. Oft sind uns die offensichtlichsten Dinge in unserem Leben nicht bewusst. Eine neutrale, erfahrene Fachperson kann dabei unterstützen, den Fokus auf die eigenen Stärken zu richten und diese Schritt für Schritt in den Arbeitsalltag zu integrieren.
* Berufs- und BildungsberatungQuaderstrasse 16, 7000 Chur,
* Tel. 081 330 17 87www.th-setcher.ch