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Erfüllt arbeiten versus sich mit Arbeit überfüllen

Veröffentlicht am 10.12.2018
Erfüllt arbeiten versus sich mit Arbeit überfüllen
Jeder Mensch hat verschiedenste Bedürfnisse, die gestillt werden müssen, nicht nur auf der körperlichen Ebene. Auch unsere Psyche braucht Erfüllung, sonst entstehen Probleme. Um diese zu vermeiden, hilft ein Blick auf die psychischen Grundbedürfnisse und die Art und Weise, wie wir damit umgehen.  von Claudio Bezzola
Der Psychotherapieforscher Klaus Grawe kam zum Schluss, dass vier Grundbedürfnisse die menschliche Psyche dominieren: Beziehung (persönlicher Kontakt mit anderen Menschen), Orientierung (Sinn und Entfaltungsraum), Lustgewinn (viel Spass und wenig Schmerz) sowie Selbstwerterhöhung (Selbstwert erhöhen, beziehungsweise Abwertung vermeiden). Fühlt sich ein Mensch in diesen Bereichen erfüllt, meldet sein Inneres: «Alles in Ordnung!» Stellt sich ein Mangelgefühl ein, aktiviert die Psyche unterschiedlichste Strategien der Bedürfnisbefriedigung, die sich der Mensch, so Grawe, im Laufe seines Lebens aneignet.
 
Andere haben auch Bedürfnisse

Nicht alle dieser Strategien führen zum Ziel der Erfüllung, schon gar nicht in jedem Umfeld gleich. Bereits der Vergleich von Arbeitsplatz und Familie zeigt, wie verschieden Vorstellungen und Erwartungen sein können. In jedem Umfeld handeln wir diese (bewusst und unbewusst) aus, da uns auch Führungspersonen, Teammitglieder oder Kunden mit ihren Bedürfnissen und Strategien konfrontieren. Gelingen diese Aushandlungen, kann eine Zusammenarbeit produktiv werden.
 
Umgang mit Individualbedürfnissen
Jeder Mensch geht sehr unterschiedlich mit seinen Grundbedürfnissen um. Die einen heben Wertschätzung hervor, andere brauchen viel Orientierung. Manchen ist Beziehungsqualität ein Hauptanliegen, und es gibt diejenigen, die den Spassfaktor betonen. Zusätzlich verknüpft jeder Mensch das Thema Arbeit mit einem anderen Sinn, vom notwendigen Übel bis hin zum alles dominierenden Daseinszweck.
Es gibt Extrempositionen, die für Organisationen sowie Einzelpersonen problematisch sind oder eine Zusammenarbeit verunmöglichen. Doch entscheidend ist die Haltung, mit welcher man einander begegnet. Am ungünstigsten ist eine wertende Haltung, in der man Menschen als Workaholic, als faul, eigenbrötlerisch, machtbesessen oder eine Organisation als «Saftladen» abstempelt. Das gewährt kurzfristig etwas «Dampfablass», doch dieser Dampf vergiftet die Atmosphäre. In solchen Fällen sollten Verantwortliche nicht zögern, dies zur Sprache zu bringen. Der Blick auf die genannten vier Grundbedürfnisse bietet hierfür eine Perspektivenerweiterung und hilft, das zu thematisieren, was sich oft hinter Konflikten verbirgt. Wird dies ignoriert, beginnen Teams im ungünstigsten Fall, sich nur noch um sich selbst zu drehen oder man verbündet sich im Kampf gegen andere.
 
Wie erfülltes Arbeiten gelingt

Es lohnt sich, hin und wieder bewusst Zeit einzuplanen und die eigenen Bedürfnisse und Strategien zu reflektieren. Wenn man sich selbst fragt, in welchem Umfeld man auf welche Weise seine Bedürfnisse erfüllt beziehungsweise mit Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitenden oder Kunden umgeht (und mit sich umgehen lässt), schärft sich das Bild der eigenen Stärken und Grenzen. So wird erkennbar, wo man noch klarer für seine Bedürfnisse einstehen darf und wo es nötig ist, eigene Strategien zu hinterfragen und zu korrigieren. Und je klarer der eigene Standpunkt sicht- und spürbar wird, desto leichter lässt sich auch die Zusammenarbeit klären.
 
Claudio Bezzola ist Partner bei Morgenthaler Consulting GmbH, Chur und dipl. Supervisor und Coach BSO. www.morgenthaler-consulting.ch

Bild: Mimi_Thian_unsplash