von Stefan Klöckl, Sinnstifter und Inhaber der Sinnfabrik GmbH in Zizers
Warum ist die Angst, vor Publikum zu sprechen bei vielen Menschen so gross? Die Antwort auf diese Frage befindet sich im menschlichen Hirn. Eines der neurologischen Grundbedürfnisse von Menschen ist das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit. Durch die Angst, vom Publikum zurückgewiesen zu werden, bleibt das Bedürfnis nach Verbundenheit unerfüllt. Die Angst führt zu körperlichen Symptomen wie beispielsweise Zittern oder Schweissausbrüchen.
So richtig unangenehm wird es dann, wenn man vor Zuhörern sitzt, die ein Pokerface aufsetzen, keine Emotionen zeigen und keine Miene verziehen.
Genau einer solchen Situation hat der Psychoneuroimmunologe George Slavich von der University of California in Los Angeles in einem Experiment Vortragsredner ausgesetzt. Sie wurden angehalten, ohne Vorbereitungszeit einen Vortrag zu halten. Dabei forderte er das Publikum auf, regungslos zu bleiben oder durch abschätzende Gesichtsausdrücke den Vortrag abzuwerten. Um den Druck noch weiter zu erhöhen, mussten die Redner nach dem Ende ihres Vortrags vor dem Publikum stehen bleiben und rückwärts zählen, beginnend mit der Zahl 2935.
Zu Beginn des Experiments wurden den Probanden dreissig Minuten nach dem Auftritt Speichelproben entnommen. George Slavich untersuchte die Dichte der Entzündungsmarker wie Interleukin-6 und den Tumornekrosefaktor.
Das Resultat war dramatisch. Die Erfahrung der Ablehnung durch die Zuhörer zeigte eine deutliche Wirkung. Die Entzündungsmarker waren nach dem Experiment bis zu 25 Prozent in die Höhe geschossen. Der Eindruck fehlender Zugehörigkeit und Verbundenheit führt, ähnlich wie bei einer körperlichen Verletzung, zu einer Ausschüttung von Entzündungsmarkern im Körper. Diese können langfristig das Herz-Kreislauf-System nachhaltig schädigen.
Ein beinahe identisches Projekt wie George Slavich hat der Sozialforscher Ethan Kross von der University of Michigan durchgeführt. Die Probanden wurden in zwei Gruppen eingeteilt.
Die eine Hälfte, die Kontrollgruppe, bekam eine Einführung in eine Art Neubewertung – die innere Distanzierung. Die Vortragenden sollten sich vor dem Auftritt fünf Minuten lang Gedanken darüber machen, wie sie sich gerade fühlen. Sie wurden angewiesen, den inneren Reflexionsprozess in der ersten grammatikalischen Person durchzuführen und den inneren Zustand zu beschreiben, beispielsweise: «Ich bin aufgeregt».
Die zweite Hälfte, die eigentliche Testgruppe, wurde angewiesen in der zweiten grammatikalischen Person zu sich selbst zu sprechen: «Max, du scheinst aufgeregt zu sein.»
Bereits die einfache innere Distanzierung erzeugte einen sicht- und messbaren Unterschied. Die Probanden der Testgruppe erhielten eine um 20 Prozent bessere Bewertung ihres Auftrittes als die Kontrollgruppe. Auch bewertete die Testgruppe ihr Wohlbefinden nach dem Auftritt deutlich besser als die Kontrollgruppe.
Die innere Distanzierung scheint ein probates Mittel zu sein, in schwierigen Situationen seine Emotionen in den Griff zu bekommen, nicht nur bei Vorträgen.
Sinnfabrik GmbH
Stefan Klöckl inspiriert Menschen, ihre Grenzen zu sprengen, weil er der Überzeugung ist, dass menschliches Wachstum nur ausserhalb der Komfortzone stattfindet. In den Themen Leadership, Team- und Persönlichkeitsentwicklung sowie Auftrittskompetenz bringt er seine Kunden weiter. www.sinnfabrik.ch.
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