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Leicht gestresst oder doch schon krank? Psychische Krankheiten am Arbeitsplatz

Veröffentlicht am 02.05.2016
Leicht gestresst oder doch schon krank?  Psychische Krankheiten am Arbeitsplatz
Durch das Burn-out-Syndrom sind psychische Krankheiten am Arbeitsplatz «gesellschaftsfähig» geworden. In den Betrieben ist man für psychische Probleme von Mitarbeitenden sensibilisiert. Das Problem ist nur: Es wird oft zu spät gehandelt und zu lange das Falsche getan. Wenn schliesslich die Situation für alle untragbar geworden ist, bleibt oftmals nur die Kündigung. Aber das muss nicht sein. 
von Domenika Schnider Neuweiler

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind ein alltägliches Phänomen. Neun von zehn Führungskräften und Personalverantwortlichen haben schon Erfahrungen mit Mitarbeitenden gemacht, die unter Alkoholproblemen, Depressionen, Schlafstörungen oder einer andere psychischen Erkrankung litten. Trotzdem werden Führungskräfte kaum für solche Situationen geschult. Entsprechend schwer fällt ihnen der Umgang mit diesen speziellen Krisensituationen – mit Folgen.
 
Belastende Situation für alle

Denn psychische Probleme von Mitarbeitenden strahlen aus und können zu einer erheblichen Belastung führen – nicht nur für den betroffenen Mitarbeitenden. Untersuchungen zeigen, dass in mehr als der Hälfte der Fälle Konflikte innerhalb des Teams entstehen. Dies führt dazu, dass sich Kollegen beim Vorgesetzten über die Arbeitssituation beschweren. Dauert die Problemsituation an, überlegt sich jeder dritte Mitarbeitende, die Stelle zu wechseln. Die Vorgesetzten fühlen sich hilflos, frustriert und überfordert, und spätestens wenn die Produktivität in der Abteilung leidet, bekommen sie selber Probleme mit ihrem Vorgesetzten.
 
Zu lange wird das Falsche gemacht
Trotz dieser Belastungen reagieren Führungskräfte in der Regel viel zu spät. Meist spüren sie zwar sehr früh, dass irgendetwas nicht stimmt, sprechen die Probleme aber erst direkt an, wenn sie über längere Zeit Beweise und Fakten gesammelt haben, um das problematische Verhalten des Arbeitnehmers zu dokumentieren. Dabei geht wertvolle Zeit verloren: Der Ärger und die Frustration bei allen Beteiligten steigen, die Toleranz schwindet und der betroffene Mitarbeitende verliert im Team zunehmend den Rückhalt. Leider wird oft viel zu lange versucht, die Probleme intern zu lösen. Professionelle Hilfe wird – wenn überhaupt – zu spät beigezogen. Meist erst, wenn die Situation bereits eskaliert ist. Wenn es dann zu langen Absenzen vom Arbeitsplatz kommt, wird die Reintegration immer schwieriger.
 
Der richtige Weg aus der Krise
Durch das richtige Vorgehen können negative Verläufe verhindert werden, wenn folgende Massnahmen berücksichtigt werden.

Sofort reagieren: Vorgesetzte müssen auffallende Veränderungen im Verhalten oder bei der Arbeitsleistung offen und direkt ansprechen. Warnsignale, die auf psychische Probleme eines Mitarbeitenden hinweisen können, sind oft häufige Konflikte des Mitarbeitenden mit seinen Kollegen; so Überempfindlichkeit auf Kritik, aggressives oder launenhaftes Verhalten, zunehmende Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit bei der Arbeit sowie häufige Absenzen.

Rechtzeitig professionelle Hilfe holen: Führen interne Massnahmen wie Gespräche und Entlastungshilfen für den Mitarbeitenden nicht zu einer Besserung der Situation, braucht es dringend externe Hilfe. Nur ein Facharzt kann eine psychische Erkrankung diagnostizieren und behandeln.

Diese Massnahmen können aber nur erfolgreich sein, wenn die Betriebskultur eine offene Diskussion bei psychischen Defiziten zulässt. Krisen und psychische Probleme gehören zum Leben und können bewältigt werden. Man kann auch mit psychischen Problemen leistungsfähig bleiben: Drei von vier psychisch Kranken sind normal erwerbstätig.
 
Domenika Schnider Neuweiler ist Leiterin UE Management und Mitglied der Geschäftsleitung bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden PDGR.
 
Fachtagung: «Psychisch gesund im Job»
Im Rahmen der Bündner Aktions-tage Psychische Gesundheit unter dem Motto «Wie gehts dir?» führen die PDGR am 29. September 2016 eine Fachtagung zum Thema «Psychisch gesund im Job» durch. Diskutiert werden unterschiedliche arbeitsbezogene psychische Erkrankungen und deren Behandlung sowie die Schaffung eines gesund-heitsfördernden Klimas am Arbeitsplatz. Abgerundet wird die Veranstaltung für Arbeitgeber, HR- und Kadermitarbeitende mit einem praktischen Workshop.

 
www.pdgr.ch/tagung

Bildlegende: Auch psychisch Kranke können leistungsfähig sein – bei entsprechender Hilfe. Bild Archiv SO