Das Arbeitsgesetz verfolgt als wesentliches Ziel den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Arbeitszeit. Auf den 1. Januar 2016 ist das revidierte Arbeitszeiterfassungsrecht in Kraft getreten. Was bleibt gleich, was ändert sich?
von Ylenia Baretta Mazzoni
Arbeiten Angestellte über die vereinbarte oder übliche Soll-Arbeitszeit hinaus, leisten sie Überstunden. Überschreitet Überstundenarbeit die gesetzlich zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeiten, spricht das Arbeitsgesetz von Überzeit. Für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte (mit Einschluss des Verkaufs- personals in Grossbetrieben des Detailhandels) gilt eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden. Für alle anderen sind es 50 Stunden. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmender in einem industriellen Betrieb leistet in einer bestimmten Woche 52 Arbeitsstunden. Da die Höchstarbeitszeit für eine solche Tätigkeit 45 Stunden beträgt, hat dieser Arbeitnehmer 7 Stunden Überzeit geleistet. Wenn wir von einer vertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ausgehen, kommen noch fünf Überstunden dazu.
Überzeit ist nicht gleich Überstunden
Im Einverständnis mit den Arbeitnehmenden kann Überstunden- und Überzeitarbeit durch Freizeit von gleicher Dauer ausgeglichen werden. Überzeitarbeit und Überstundenarbeit unterscheiden sich dadurch, dass die Entschädigung für die Überstundenarbeit durch einen schriftlichen Vertrag wegbedungen werden kann. Die Entschädigung für die Überzeitarbeit hingegen grundsätzlich nicht. Die Überzeitentschädigung ist mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu entrichten.
Neue Art Arbeitszeiterfassung möglich
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Dokumentation zu führen. Die Dokumentationspflicht umfasst auch Informationen zu den Arbeitszeiten. Die auf den 1. Januar 2016 in Kraft getretene Revision der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz sieht eine Lockerung der Erfassungspflicht vor. Es werden zwei neue Regelungen der Dokumentation eingeführt. Die Modali- täten unterscheiden sich je nach Rahmenbedingungen der ausgeübten Tätigkeit: Die systematische Arbeitszeiterfassung bleibt die Standardregel. Sie sieht vor, dass Anfang und Ende jeder Arbeitsphase sowie auch die Pausen und die Ausgleichszeiten zu dokumentieren sind.
Bei der neu eingeführten vereinfachten Arbeitszeiterfassung beschränkt sich die Erfassung auf die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Diese Möglichkeit besteht für alle Arbeitnehmenden, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen können. Für diese Regelung ist kein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) notwendig, es genügt eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Betrieb und einer Vertretung der Arbeitnehmenden.
In einem kleinen Betrieb ist eine individuelle Vereinbarung mit den einzelnen Angestellten möglich. Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ist hingegen nur für Arbeitnehmende mit einem Bruttojahreseinkommen von mehr als 120 000 Franken möglich. Diese Arbeitnehmenden müssen zudem ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selber festsetzen können und über eine grosse Autonomie bei der Gestaltung ihrer Arbeit verfügen. Die Einführung einer solchen Regelung erfolgt im Rahmen eines GAV und erfordert die individuelle Zustimmung der betroffenen Personen.
Ob das revidierte Arbeitszeiterfassungsrecht tatsächlich eine Verein- fachung der Verhältnisse mit sich bringen wird, wird die Praxis zeigen.
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Ylenia Baretta Mazzoni ist Rechts- anwältin und Partnerin bei Swiss Legal Lardi & Partner AG in Chur. www.swisslegal.ch