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Dazulernen oder sich entwickeln – ein weitreichender Unterschied

Veröffentlicht am 27.02.2020
Dazulernen oder sich entwickeln
In der Laufbahnentwicklung galt seit den 80er-Jahren das Credo «lebenslanges Lernen»: Wer stehen bleibe, verpasse den Anschluss an eine sich verändernde Berufswelt. Die Laufbahn mit einer Grundausbildung, auf der in bestimmter Logik berufliche Schritte folgen, geradlinig und berechenbar, wurde seltener. Was ist heute von obigem Credo zu halten?

von Sina Bardill, Psychologin FSP und Supervisorin/Coach BSO

Das «lebenslange Lernen» hat viel Initiative ausgelöst, innerbetriebliche Weiterbildungsanstrengungen, ein mittlerweile gigantisches Angebot an Kursen, Seminaren und zertifizierten Lehrgängen für alle möglichen Anliegen und Zielgruppen. Dies ist ein wichtiges Element für die bewegliche Anpassung an sich rasch verändernde Umstände. 

Warum nicht nur Lernen? 

Zunehmend wird aber deutlich: Die Anforderungen an Arbeitnehmende in den verschiedensten Bereichen steigen massiv und verändern sich in immer rascherer Kadenz. 
Ganz besonders herausgefordert sind Führungspersonen. Ein Schlagwort bringt es auf den Punkt: die Vuca-Welt. Vuca ist eine Abkürzung der englischen Begriffe Volatility (Volatilität, Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Wichtiges kann sich rasch und auf unvorhersehbare Weise verändern. Zudem ist es normal, dass Dinge nicht simpel sind und manchmal auch vage bleiben. Vorbei ist die Zeit, in der Lehrpläne und Weiterbildungsangebote noch wissen konnten, welche Inhalte uns für lange Zeit in Beruf und Leben weiterhelfen können! 
Nur mit Bildung im herkömmlichen Sinn, mit der Aneignung von Wissen, kann man sich in unserer Welt nicht mehr genügend rasch orientieren. Zu hoch das Tempo der Veränderung. Es braucht neue Fähigkeiten auf der Ebene der Persönlichkeit – und diese gilt es zu entwickeln. Solche Fähigkeiten sind z. B. der Umgang mit Unsicherheit: einen stabilen inneren Stand haben, auch wenn es aussen chaotisch ist. Oder die Beweglichkeit: Sich auf neue Ausgangslagen einlassen können, auch wenn noch unklar ist, wohin es führt. Oder Vertrauen: Auch wenn die Situation komplex ist, sich darauf verlassen zu können, alleine und im Team Wege zu finden, um damit klarzukommen. Dabei spielt nicht in erster Linie der Persönlichkeitstyp eine Rolle (Unterschiede in Temperament oder Charakter, die beim Umgang mit Herausforderungen eher hilfreich oder eher hinderlich sind).
Vielmehr geht es um das Potenzial zur Persönlichkeitsentwicklung, das in jedem Menschen vorhanden ist. So wie Kinder von Phase zu Phase auf ihre Art und Weise, sich und die Welt zu sehen, erwachsener werden, so können auch Erwachsene Schritt für Schritt in ihrer Persönlichkeit weiter reifen: differenzierter wahrnehmen, innerlich beweglicher werden, eigenständiger denken, Verantwortung bewusster übernehmen oder auch abgeben. 

Was unterstützt die Entwicklung? 

Solche persönliche Fähigkeiten lassen sich nicht wie eine Fremdsprache oder eine handwerkliche Fertigkeit aneignen. Eine grosse Lehrmeisterin dafür ist das Leben selbst: Interessanterweise entwickeln Menschen ihr Repertoire vorallem dann, wenn etwas nicht funktioniert. Nicht Erfolge, sondern Schwierigkeiten führen zu Entwicklungsprozessen und tiefergehenden Erkenntnissen. 
Bildungsformate können entwicklungsförderlich sein, wenn sie persönliche Reflexion und Austausch über entsprechende Fragen unterstützen. Ein Coaching kann auf einfache Art dazu beitragen, ein akutes Problem zu lösen. Bestenfalls hilft es aber auch, tiefer zu gehen und im Blick zu haben, wie man die Problemlösefähigkeit generell erhöht und Entwicklungsschritte hin zu mehr persönlicher Reife auslöst.
Die Arbeit an der eigenen Entwicklung ist bisweilen anstrengend, kann aber auch lustvoll sein – und ist lohnend, auch wenn es dafür (noch) kein Diplom gibt. 

Bild: athree23 / Pixabay