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Storytelling als Führungsskill

Veröffentlicht am 25.02.2022
Das Team auch bei «trockenen» Themen abholen: Zum Beispiel mit einer emotional aufgeladenen Geschichte.
Ein Team zu motivieren und es bei Stange zu halten, ist für manch eine Führungsperson eine grosse Herausforderung. Nur nackte Fakten und Zahlen zu präsentieren kann die Stimmung während einer Sitzung nachhaltig eintrüben. Wieso nicht neue Formen ausprobieren, um Ideen vorzustellen und diese bei den Mitarbeitenden zu verankern – zum Beispiel Storytelling. Was schwierig aussehen mag, kann mit etwas Übung zu einem Erfolg werden.

von Monika Meiler, Dozentin und Coach/Supervisorin HFP & BSO

Marco Hartmann weiss nicht weiter. Immer wieder hat er das Gefühl, dass sein Team nicht richtig nachvollziehen kann, was er von ihnen möchte. Dabei hat er schon alles ausprobiert: Er hat die Ergebnisse und Ziele in Tabellen dargestellt, hat anhand von Grafiken die Fakten dargelegt und die Zahlen müssten sie eigentlich alle schon auswendig kennen, sooft wie er sie ihnen gesagt hat. 

Das Gleiche tun – anderes erwarten

Vielen Führungskräften geht es heute so wie Marco Hartmann. Für sie liegt die Sache klar auf der Hand, aber bei ihren Teams scheint das nie richtig anzukommen. Da gerät man schnell in die Abwärtsspirale: noch mehr Zahlen, Daten, Fakten. Aber schon Albert Einstein wusste: «Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.» Ein Dilemma: Aber welche Möglichkeiten hat Marco Hartmann denn sonst zur Verfügung, um sein Team zu motivieren?

Inhalte besser verstehen

Als seine Frau Karin nach ihrer Theaterprobe nach Hause kommt, klagt ihr Marco sein Leid. Karin bittet Marco, ihr zu zeigen, wie er versucht, seine Botschaften im Team zu verankern. Schon als sie die erste Tabelle in der Präsentation bemerkt, ahnt sie Böses. Selbst nach der Erklärung der Zahlen, versteht sie nicht ganz, was Marco ihr damit mitteilen möchte.
Das überrascht Marco nicht sonderlich, Karin hat keine fachliche Perspektive in seinem Bereich – sein Team aber schon. Karin lässt nicht locker, sie möchte es verstehen. Eine Weile überlegt Marco, wie er es ihr erklären kann. «OK Karin, stell dir folgendes Szenario vor ...»
Nicht umsonst sind Geschichten omnipräsent: Die anspruchsvollsten Inhalte wären leichter zu verstehen, zu erlernen und könnten besser in Erinnerung behalten werden, wenn sie in eine Geschichte gepackt würden. Wie nebenbei, getragen von einem Spannungsbogen, enthalten sie Wissen zu unterschiedlichsten Themen. Eine Geschichte lässt die Zuhörenden etwas erleben, mit eigenen Gefühlen und eigenen Erkenntnissen.

Tell a story

So leuchtet auch Marcos Geschichte Karin sofort ein. «Warum erzählst du deinem Team nicht diese Geschichte?». Das findet Marco ziemlich abwegig, aber andererseits: Was hat er zu verlieren? Das Wort Storytelling, auf deutsch Geschichten erzählen, hat in den letzten Jahren enorm Aufwind bekommen und in eigentlich jedes erdenkliche Thema Eingang gefunden. Das liegt an den unbestreitbaren Vorteilen: Geschichten motivieren, schaffen eine weitere Perspektive, holen Themen auf die Metaebene und führen zu Distanz, aus der Zusammenhänge verständlicher werden.  
Auch für schwierige Mitteilungen eignet sich diese Vorgehensweise, beispielsweise dann, wenn negative Entscheidungen getroffen werden müssen. Sobald Mitarbeitende den Sinn hinter Massnahmen erkennen, tragen sie diese eher mit. Es kommt zu weniger Widerstand und Gerüchten, während Zusammenhalt und Loyalität dem Unternehmen gegenüber gestärkt werden.  
Zusammen mit Karin übt Marco, seine Geschichte zu präsentieren. Zuerst fragt sie ihn, welche Botschaft er mit der Story im Team verankern möchte. Es bringt schliesslich nichts, wenn die Story nur unterhält. Stattdessen soll das Team aus dem Meeting mit einer klaren Botschaft zurück an die Arbeit gehen. Anhand der Botschaft bauen die zwei eine Dramaturgie auf – es braucht Spannung, damit alle bis zum Ende aufmerksam zuhören. Und es braucht Emotionen, also streuen die beiden noch den einen oder anderen humorvollen Part mit ein. 

Übung macht den Meister

Gerade wenn die Erfahrung mit Storytelling bisher fehlt, lohnt es sich, die Geschichten aufwendiger zu planen und zu gestalten – damit sie in der Präsentation locker rüberkommen. Wer seine Story verinnerlicht hat, muss sie nicht ablesen – das macht authentisch. Mit der Zeit wird die Vorbereitung kürzer und das Auftreten sicherer.

Ende gut, alles gut 

Als Marco am nächsten Tag nach Hause kommt, fragt Karin, wie es gelaufen sei. «Fantastisch! Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, alle abgeholt zu haben!». Die nächsten Wochen zeigen, Marcos Gefühl hat ihn nicht getäuscht. Er wird seinen neuen Führungsskill ab sofort des Öftern einsetzen.

Monika Meiler
Nach ihrem medizinischen Basisberuf absolvierte Monika Meiler die Marketingleiterausbildung und war viele Jahre in einem Telekom-Konzern in diversen Funktionen tätig. Heute ist sie als Dozentin, Coach/Supervisorin HFP & BSO sowie als eidg. dipl. Betriebsausbilderin in der Schweiz, Deutschland und Österreich in den Themengebieten Leadership, Kommunikation, Team, Konflikt, Change unterwegs. 2018 erschien ihr erstes Buch «Steh auf Männchen – Krisenkompetenz für Manager» im Orell Füssli Verlag.

Bild: Pixabay